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Attraktion
für viele Orgel-Fans
Was kann, was sollte, was möchte
man gerne auf dem neuen Instrument
in St. Petri spielen…“
fragt Orgelbauer Gerald Woehl in seinem
1993 zur Orgeleinweihung erschienenen
Beitrag „Die symphonische Orgel in
St. Petri“. Seine Antwort: „Bach, in der
klassischen Form, aber auch in der Aufführungspraxis
des 19. und 20. Jahrhunderts“,
Liszt mit seinen Wagnerbearbeitungen,
Brahms, Rheinberger und Reger,
Karg-Elert „mit seinem großen Farbenreichtum
… Hindemith und die heutigen,
deutschsprachigen Zeitgenossen“. Und
ganz bewusst gesperrt gedruckt ist der
Verweis auf „die orgelspielenden Komponisten
und Konzertorganisten aus dem
französischen Raum“ wie César Franck,
Charles-Marie Widor, Marcel Dupré oder
Jean-Claude Alain.
Sie alle und noch viele mehr waren in
den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten
auf der Woehl-Orgel in St. Petri zu
hören – gespielt von Jürgen Sonnentheil,
dem Kirchenmusiker und Organisten an
dieser Kirche, und von zahlreichen Gast-
Organisten aus dem In- und Ausland in
Orgelkonzerten, auf Festivals oder bei den
jeweils im Juli und August stattfindenden
alljährlichen „Orgelmatineen“. Manch einer
im Publikum hat da mit den Jahren
hören gelernt, ist in ganz neue Klangwelten
eingetaucht und erlebt anfangs ungewohnte
Klänge längst als vertraut.
Anders als bei den auf immer wieder neue
technische Errungenschaften erpichten
Instrumentenbauern der spätromantischen
Ära gelte es heute, so hatte Woehl
angemerkt, „für die symphonische Epoche
und für die Orgelmusik der Gegenwart
Instrumente zu bauen, die sich der
technischen Mittel bewusst sind, aber
als Mittelpunkt das Instrument sehen“.
Dabei entstünden für den Spieler „ganz
neue Möglichkeiten, die er seinerseits
zum Hörbarmachen der Musik einsetzen
kann“. Wie unter anderem „durch ein neues
Windsystem, das lebendig die symphonischen
Ausdrucksformen melodiebetont
steigert“.
Als Instrument in einer geradezu fantastischen
historischen Orgellandschaft
zwischen Elbe und Weser und darüber
hinaus sollte sie einen „modernen“, einen
klanglich anderen Kontrapunkt setzen.
Was folgte, war – aus Sicht des Zuhörers
in Konzerten und Matineen – durchaus ein
Gewöhnungsprozess. Total abgeschlossen
ist der auch heute noch nicht. Denn
manch einer unter den Orgelmusik-Fans
hat ein ausgesprochenes Faible für die
historischen Orgeln in Altenbruch und
Lüdingworth und fremdelt eher mit der
Klangwelt der symphonischen Woehl-Orgel.
Es gibt aber auch die andere Seite.
Tatsache ist jedoch, dass Cuxhaven das
seltene Glück hat, über dieses Dreigestirn
von Orgeln zu verfügen. Jede von ihnen
von ganz eigener Art. Dem „symphonischen“
Instrument in St. Petri wird gar bescheinigt,
wichtige Impulsgeberin für so
manchen nachfolgenden großen Orgelbau
aus der Werkstatt Gerald Woehls gewesen
zu sein. Für St. Petri in Cuxhaven jedenfalls
war die Einweihung ihrer neuer Orgel
am 30. Mai 1993 mehr als „nur“ das. Es
war auch so etwas wie eine Rückführung
an den originalen Ort: die Orgel nahm
wieder den ursprünglichen Platz ein – den
im Altarraum. Dass in der ehemaligen Marine
Garnison-Kirche Altar, Kanzel und
Chorempore mit Orgel übereinander angeordnet
waren, machte einst die „besondere
Eigenart“ der Backsteinkirche aus.
Anfang der 1960er-Jahre begründete man
die brachiale Entfernung des kompletten
Ensembles mit „einer Anpassung an die liturgischen
Forderungen der Gegenwart“.
Inzwischen würde man das unter Denkmalschutz
Gesichtspunkten wohl eher als
Sakrileg bezeichnen.
Gleichwohl stießen die Rückführungsbestrebungen
seinerzeit auch auf Kritik.
Nicht nur dem früheren St.-Petri-Pastor
Hans-Henning Speckmann war die (neue)
Orgel an diesem Platz zu dominant. Doch
die unmittelbare Vorgängerin, die 1968
eingeweihte Eule-Orgel, hatte nach Ansicht
von Fachleuten auf der rückwärtigen
Empore an der Nordwand des Kirchen-
„
Dass die nach fünfjähriger
Planungs- und Bauzeit an
Pfingsten 1993 feierlich
eingeweihte Woehl-Orgel in
St. Petri so ganz anders ist als
die Orgeln in der Stadt und
vor allem der unmittelbaren
Umgebung, war so und
nicht anders gewollt.
“